Vom Gen zum Verhalten – Imaging Genetics und Epigenetics in der Schizophrenie
Schizophrenie ist eine weit verbreitete psychische Erkrankung mit einer Prävalenz von etwa 0,7% weltweit (van Os and Kapur, 2009). Eine Kombination aus genetischen und Umweltfaktoren ist verantwortlich für die Entstehung dieser Krankheit. Zwillings- und Familienstudien zur Schizophrenie deuten auf eine Heritabilität von ca. 80% hin (Gottesman & Gould, 2003) und Verwandte ersten Grades von Schizophrenie-Patienten haben das höchste Risiko, ebenfalls zu erkranken (Gottesman 1991). Veränderungen im Dopamin- und Glutamat-System konnten bereits mit der Entstehung und dem Verlauf der Krankheit in Verbindung gebracht werden, die genauen biochemischen Zusammenhänge sind jedoch weitestgehend unerforscht. Dieses Wissen bildet die Grundlage für die Entwicklung neuer und verbesserter Wirkstoffe und für eine gezielte Pharmakotherapie.
Genetische Assoziationsstudien dienen dem Verständnis der zugrundeliegenden biologischen Mechanismen. Diverse genetische Risikovarianten wie NRG1 und DISC1 wurden wiederholt mit Schizophrenie assoziiert (Duff et al., 2013; Ohi et al., 2012; Ruano et al., 2008). Mit steigender Größe der untersuchten Stichproben in psychiatrischen Konsortien ist die Identifikation von reproduzierbaren genetischen Loci, die mit Schizophrenie assoziiert sind, nun möglich (Ripke et al., 2013). Dennoch sind die Ergebnisse bisheriger konventioneller Assoziationsstudien zum Teil inkonsistent bezüglich erblicher psychiatrischer Erkrankungen wie Schizophrenie (O’Donovan et al., 2009). Dies könnte unter anderem an diagnostischen Schwierigkeiten und Fehlklassifikationen aufgrund des heterogenen und sich im Verlauf der Erkrankung verändernden Symptom- und Erscheinungsbild der Schizophrenie liegen. Daher werden immer häufiger die Assoziationen zwischen genetischen Polymorphismen und sogenannten intermediären Phänotypen untersucht (Gottesman and Gould, 2003; Tan et al., 2008), von denen man annimmt, dass sie verlässlichere Ergebnisse liefern, da sie unabhängig von der Diagnose sind und eine größere statistische Power versprechen.
Zu den bekanntesten vererbbaren intermediären Phänotypen der Schizophrenie zählen eine beeinträchtigte neuronale Aktivität bei Arbeitsgedächtnisaufgaben, ein reduziertes hippokampales Volumen sowie eine reduzierte kortikale Dicke (Ehrlich et al., 2011; Hall and Smoller, 2010). Wie auch andere Forschungsgruppen konnten wir zeigen, dass Zusammenhänge zwischen Kandidatengenen und einigen der genannten Phänotypen bestehen (Brauns et al., 2013, 2011; Ehrlich et al., 2010; Walton et al., 2013a). Der dabei genutzte Ansatz zur Auswahl der Gene basiert jedoch auf Annahmen zur Pathophysiologie der Schizophrenie, was die Entdeckung neuer biologischer Mechanismen möglicherweise verhindert. Zudem können die bereits bekannten genetischen Varianten, die mehrfach mit Schizophrenie in Verbindung gebracht wurden, nur einen Bruchteil der Varianz erklären. Unser Ziel ist es deshalb, genomweite Daten in Verbindung mit intermediären Phänotypen zu analysieren (Hass et al., 2013; Walton et al., 2013b).
Des Weiteren gibt es deutliche Hinweise, dass ebenfalls verschiedene Umweltfaktoren, wie z.B. das individuelle Lebensumfeld, Drogenkonsum und pränatale Stressoren, an der Entstehung psychiatrischer Erkrankungen wie Schizophrenie beteiligt sind und in den mathematischen Modellen berücksichtigt werden sollten. Die Analyse von methylomweiten Daten, die zu einem gewissen Grad den Einfluss von Umweltfaktoren auf dem epigenetischen Level widerspiegeln, ist ein erster Schritt in diese Richtung (Gavin and Sharma, 2010; Roth et al., 2009; van Os et al., 2008). Allerdings ist die Korrelation der DNA Methylierung welche an Blutzellen bestimmt wurde und der Methylierung im Gehirn gering (Walton et al., 2015).
Unsere Arbeitsgruppe nutzt klinische, neuropsychologische, genomweite SNP und methylomweite CpG Daten sowie multi-modale Bildgebungsdaten von groß angelegten Multicenter-Studien zur Schizophrenie (MCIC, ENIGMA, GENUS), um neue Konzepte der Datenreduktion und multivariate Analysemethoden zu erproben (Walton et al., 2013b). Unser Ziel ist es, Zusammenhänge zwischen (poly-)genetischen und (poly-)epigenetischen Risikofaktoren und Biomarkern der Schizophrenie herzustellen. Gleichzeitig suchen wir nach Korrelationen zwischen klinischen Symptome Mustern und strukturellen Hirnveränderungen (Walton et al., 2017a; Walton et al., 2017b).
Kontaktpersonen:
Prof. Dr. S. Ehrlich, Dipl.-Inf. D. Geisler, Dr. E. Walton
Kooperationspartner:
Prof. R. Gollub, Massachusetts General Hospital/ Harvard Medical School, Athinoula A. Martinos Center for Biomedical Imaging
Prof. V. Calhoun, Founding Director & Distinguished University Professor, TReNDS Center – Center for Translational Research in Neuroimaging & Data Science - Georgia State University
Prof. J. A. Turner, Professor of Psychology and Neuroscience, Georgia State University
Prof. Dr. Dr. A. Heinz, Head of the Department of Psychiatry and Psychotherapy, Charité Universitätsmedizin Berlin